12. August 2019 – von Noah Drautzburg
Drei, zwei, eins: Unter den Augen von Eltern, Lehrern, Förderern und Politikern eröffnen die 16 Erstklässler mit einem Schnitt ihre neue Schule.
Trier
Und es wurde: In rekordverdächtiger Zeit ist am Moselufer die erste Montessori-Schule in Trier entstanden. Dazu mussten alle mit anpacken. Nun wurde die Schule eröffnet – und alle sind voll des Lobs.
Noch Ende 2018 bildete das Brüderkrankenhaus hier angehende Physiotherapeuten aus. Im April 2019 begannen dann dutzende Helfer, das „Bootshaus“ am Moselufer ehrenamtlich zu renovieren. Jetzt, nur gut vier Monate später, ist der Startschuss für die erste Montessori-Schule in Trier gefallen.
„Jeder hat mit angepackt“, erinnert sich Justina Seiler: „Das hatte wirklich so einen Happening-Charakter“.
—
INFO
Der Tag an einer Montessori-Schule
Das Ziel, das schon Maria Montessori 1907 bei ihrem ersten Kinderhaus in Rom verfolgte, war die größtmögliche Eigenständigkeit der Kinder. Danach ist auch der Unterricht in Trier gestaltet. Wenn um acht Uhr der Schultag beginnt, haben die Kinder drei Stunden Zeit, sich selbstständig mit den Materialien zu beschäftigen. Wenn ein Kind damit überfordert ist, ist es unter anderem die Aufgabe von Lehrerin Tanja Jaeger, sie in den Umgang damit einzuführen. Dass ein Kind gar keine Lust auf etwas hätte, habe sie aber noch nie erlebt, sagt sie. Für eine Stunde kommen dann alle Schüler zusammen. Dann geht es um Musik, Theater, Kunst, oder auch Demokratieerziehung. Nach einer Mittagspause, in der die Kinder in der angrenzenden Jugendherberge essen können, folgt eine weitere individuelle Lernzeit. Um 14 Uhr ist der Schultag an der Montessori-Schule zu Ende, bis 17 Uhr ist jedoch auch eine Nachmittagsbetreuung möglich.
—
Seilers Tochter ist eines von 16 Kindern, die hier ab dem neuen Schuljahr nach den Methoden lernen, die einst die Italienerin Maria Montessori entwickelt und in die ganze Welt exportiert hat.
Barbara Zeltinger, Mitgründerin und Mitglied des Trägervereins der Schule, hat vor zwei Jahren zum ersten Mal an einem Expertentreffen zu Montessori-Pädagogik teilgenommen. Danach sei ihr klar gewesen: „Wir gründen eine Schule – das wird schon“ (der TV berichtete).
Eine der Expertinnen, die die Gründer seitdem beraten haben, ist die Trierer Grüne Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion. „Wenn man über Inklusion spricht, kommt man an Montessori-Pädagogik nicht vorbei. Da ist es schwer, etwas Besseres zu finden“, gerät sie ins Schwärmen.
Woran liegt das? In Montessori-Schulen lernen Kinder, egal ob mit oder ohne Behinderung, Erst- oder Viertklässler, gemeinsam. Es gibt keinen festen Stundenplan, stattdessen beschäftigen sich die Kinder individuell mit dem, was sie gerade interessiert. Sensible Phasen nannte das Maria Montessori.
Diese Lernform erfordert viel Empathie – aber vor allem viel Personal. Zwei Lehrerinnen, eine Pädagogin, eine Musiklehrerin und ein FSJ’ler werden sich um die Klasse kümmern. All das muss der Trägerverein in Eigenregie stemmen. Erst, wenn sich die neue Schule über drei Jahre hinweg etabliert hat, kann sie auf Zuschüsse vom Land hoffen.
Zur Finanzierung waren daher nicht nur ehrenamtliche Helfer, sondern auch Sponsoren nötig. Staatliche Schulen spendeten ausrangiertes Mobiliar, zudem haben die Schulträger im Internet eine Wunschliste veröffentlicht. Darauf standen Instrumente, Spiele und Bücher, aber auch ein Basketballkorb und ein Fußballtor. In nur zwei Wochen wurden alle Wünsche erfüllt. Dennoch bleiben die Träger auf finanzielle Zuwendungen der Eltern angewiesen, die aktuell bei 250€ pro Monat liegen.
Jetzt also ist das Bootshaus bezugsfertig. In jeder Ecke des neuen Klassenzimmers stehen Regale mit Spielen und Büchern. An den Wänden hängen Tafeln und Plakate. „Bei dem Material geht es darum, dass die Kinder es be-greifen“, erklärt Barbara Zeltinger. Damit sollen die Kinder lesen, schreiben und rechnen, aber auch viel über Demokratie und Umwelt lernen. Nur eben wann und wie sie wollen.
„Ich kenne keine Grundschule, die so einen großen Klassenraum hat“, bewundert Reiner Schladweiler, Sprecher des Landesregionalelternbeirats Trier, die neue Einrichtung. Für ihn ist die Montessori-Schule eine tolle Ergänzung in Trier. Anderswo schaue man mehr auf die Schwächen der Kinder, sagt er. Man könne auch aus einem Rollstuhlfahrer keinen 100-Meter Läufer machen. „Aber man kann etwas Anderes machen, da wo seine Stärken liegen.“
Die Stärken jedes einzelnen Kindes fördern – genau das soll hier ab sofort geschehen. In den nächsten Jahren sollen jeweils neue Schüler in der Größenordnung einer Schulklasse hinzukommen und gemischt mit den älteren Kindern lernen.
Es ist viel Aufwand, der dort am Moselufer betrieben wird, doch er soll einem großen Ziel dienen. Denn, so sagte es einst Maria Montessori: „Was die Kinder betrifft, betrifft die Menschheit.“